Cover
Titel
Hamilton, Alexander; Madison, James; Jay, John: Die Federalist Papers. Vollständige Ausgabe


Herausgeber
Zehnpfennig, Barbara
Erschienen
München 2007: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
583 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hermann Wellenreuther, Frühe Neuzeit, Universität Goettingen

Es besteht kein Zweifel: ‚The Federalist’, eine Serie von 85 Artikeln aus dem Jahr 1788, gehört zu den wichtigsten verfassungspolitischen und -rechtlichen Schriften der Geschichte der Neuzeit überhaupt.1 Die ersten 77 Artikel erschienen unter dem Pseudonym „Publius“ zwischen dem 27. Oktober 1787 und dem 2. April 1788 in New Yorker Zeitungen, die restlichen sieben Artikel wurden zwischen dem 28. Mai und dem 16. August 1788 veröffentlicht.2 Die zeitliche Unterbrechung der Artikelserie wurde durch den Verlauf der Debatten um den neuen Verfassungsentwurf bestimmt. Dieser war von der Konvention, die in Philadelphia – eigentlich nur zur Revision der Konföderationsartikel – einberufen worden war, am 17. September 1787 einmütig gebilligt worden. Bis Januar 1788 hatten die vier kleinen Staaten Delaware, New Jersey, Georgia und Connecticut und Pennsylvania die Verfassung gebilligt. Danach geriet der Ratifikationsprozess ins Stocken: In Massachusetts wurde der Entwurf im Februar 1788 nur knapp ratifiziert; der Ratifikationskonvent von New Hampshire vertagte sich Ende Februar 1788 ergebnislos; die Stadtversammlungen von Rhode Island lehnten den Entwurf im März mit überwältigender Mehrheit ab. Zwar wurde im April der Entwurf von den Ratifikationskonventen in Maryland und South Carolina mit großen Mehrheiten gebilligt, aber die Konvente der beiden einflussreichsten Staaten, Virginia und New York, waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gewählt worden. Virginias Konvent trat erst Anfang Juni zusammen und ratifizierte nach heftiger Debatte am 27. Juni den Verfassungsentwurf, nachdem auch New Hampshire in einem zweiten Anlauf am 21. Juni den Verfassungsentwurf angenommen hatte. Am 17. Juni 1778 traten die Delegierten des Ratifikationskonvents von New York in Poughkeepsie zusammen. Es schien, als sei die Ablehnung des Verfassungsentwurfes vorprogrammiert, denn die Mehrheit der Delegierten galt als Anhänger des New Yorker Gouverneurs und Verfassungsgegners George Clinton. Wahrscheinlich führte die Nachricht von der Zustimmung New Hampshires und Virginias dann jedoch zu einem Sinneswandel bei vielen Delegierten, so dass am 26. Juli 1788 der Entwurf der Bundesverfassung mit der knappen Mehrheit von 30 zu 27 Stimmen gebilligt wurde. 3 Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der letzten sieben Artikel wurde, wie die knappe Chronologie der Ratifikation andeutet, weitgehend durch das späte Zusammentreten des Ratifikationskonvents in New York bestimmt.

In ihrer Einleitung beschränkt sich die Passauer Politologin Barbara Zehnpfennig weitgehend auf die politologischen und verfassungsrechtlichen Aspekte der Artikel, die ihrer Grundstruktur ihrem Aufbau nach sehr überzeugend interpretiert werden. Allerdings gerät dabei der historische Kontext in einer heftigen öffentlichen Debatte über den Entwurf der Bundesverfassung und die Natur von Herrschaft und Regierung immer wieder aus dem Blickfeld. Zudem werden die Argumente der Gegner (Antifederalists) nicht ernst genug genommen, weshalb viele Äußerungen der Autoren des ‚Federalist’ zu Kernargumenten der Gegner unverständlich bleiben. Ein Beispiel: Zehnpfennig referiert richtig, dass die Antifederalists den Verteidigern des Verfassungsentwurfes vorwarfen, die Verfassung weise dem Präsidenten „quasi monarchische Befugnisse“ zu (S. 29). Dieser Vorwurf sei von den Autoren des ‚Federalist’ vor allem im 75. Artikel mit dem Argument zurückgewiesen worden, eine „schwache Ausübung der Regierungsgewalt“ durch den Präsidenten sei schädlich und ein Vergleich mit dem englischen König „unzulässig, da der Präsident abwählbar ist, einer Amtsanklage, dem impeachment, unterzogen werden kann und wesentliche Kompetenzen nicht allein, sondern nur in Verbindung mit der Legislative ausüben darf“ (S. 29). Dies wird nicht weiter kommentiert. Doch nicht nur die Antifederalists, sondern auch die Leser dieser Artikel wussten, dass gegen Karl I. 1648 ein Impeachmentverfahren eröffnet und mit seiner Verurteilung und Hinrichtung auch abgeschlossen worden war, und dass der englische König wie der amerikanische Präsident „wesentliche Kompetenzen“ nur „in Verbindung mit der Legislative ausüben“ durfte – dies war schließlich die wichtigste Errungenschaft der Glorreichen Revolution.

Im selben 75. Brief wird das Recht des Präsidenten diskutiert, mit anderen Mächten Verträge abzuschließen – unter dieser Formel fassen die Artikel, wie schon zuvor die englische Verfassung, die Rechte der Exekutive zusammen, allein die Außenpolitik zu bestimmen. Die Passage ist relevant für das Verständnis der heutigen amerikanischen Außenpolitik und für die Art, wie amerikanische Präsidenten seit den 1960er-Jahren Außenpolitik am Kongress vorbei betreiben und selbst Kompetenzen wie die Erklärung von Krieg und Frieden für sich reklamieren – Stichwort: „imperial presidency“ – und weist damit auf ein in der Verfassung angelegtes Dilemma hin, welches schon 1787/88 heftig diskutiert, aber letztlich nicht gelöst wurde. Dieses Dilemma prägt und belastet bis in unsere Gegenwart hinein nicht nur die amerikanische Politik, sondern auch die amerikanischen internationalen Beziehungen nachhaltig.

Zehnpfennig hat eine elegante, aber gelegentlich terminologisch ungenaue Übersetzung des ‚Federalist’ vorgelegt, der zu oft das Gefühl für die Zeitgebundenheit der Begrifflichkeit und Sprache mangelt. In dieser Hinsicht ist die Übersetzung von Angela und Willi Paul Adams vorzuziehen.4 Ihnen gelingt es auch, verfassungsrechtliche, historische und politologische Aspekte in einer vertieften Diskussion der Artikel der Federalists zu vereinen. Allerdings kommen bei ihnen die strukturellen Aspekte der Artikel, die Zehnpfennig sauber herausarbeitet, zu kurz. Neben der Bundesverfassung, die mit ihren Zusatzartikeln im Anhang abgedruckt wird, enthält die Übersetzung von Zehnpfennig überdies ein höchst verdienstvolles „Verzeichnis der in den ‚Federalist Papers’ behandelten Verfassungsartikel“ (S. 531-535).

Unverständlich ist allerdings, warum die Neuauflage einer historisch-kritischen Übersetzung5 es versäumt, die seit 1993 erschienene wissenschaftliche Literatur zu nennen. Sicherlich: Die amerikanische Literatur dazu ist unübersehbar. Aber in Deutschland sind in der Zwischenzeit drei Bände zur amerikanischen Geschichte zwischen 1500 und 1783 veröffentlicht worden, und zum Ratifikationsprozess erschien die eindrucksvolle Arbeit von Jürgen Heideking.6 Erst recht bleibt unerklärlich, weshalb Zehnpfennig ihrer Übersetzung nicht die historisch kritische Edition der Federalist-Artikel von Jacob E. Cooke zugrunde gelegt hat, die erstmals 1961 erschien, sondern die auf der ersten Gesamtausgabe der Artikel fußende Edition von Clinton Rossiter benutzt7, deren Texte, wie die Anmerkungen von Cooke zeigen, in einigen nicht unwichtigen Punkten von den Originalveröffentlichungen der Artikel abweichen. Im Literaturverzeichnis aber, und dies verdient lobend hervorgehoben zu werden, wird nicht Rossiters Edition von 1961, sondern jene von 1999 angegeben!8

Anmerkungen:
1 Cooke, Jacob E. (Hrsg.), The Federalist. America’s greatest contribution to political philosophy by Alexander Hamilton, James Madison, and John Jay, reproduced from the original texts, Middletown 1961.
2 McLean, J. und A., The Federalist: A collection of essays, written in favour of the new Constitution, as agreed upon by the Federal Convention, September 17, 1787, 2 Bde., New York 1788. Die letzten sieben Artikel waren schon Anfang Juni 1778 in Band 2 der ersten Gesamtausgabe erschienen, was die Bibliographie der Ausgabe von Zehnpfennig nicht erwähnt.
3 Ich fasse hier die konzise Beschreibung des Ratifizierungsverfahrens von Adams, Angela und Willi Paul (Hrsg.), Hamilton/Madison/Jay, Die Federalist Artikel. Politische Theorie und Verfassungskommentar der amerikanischen Gründungsväter. Mit dem englischen und deutschen Text der Verfassung der USA, Paderborn 1994, xxxiii-xxxvi, zusammen.
4 Vgl. Anm. 3.
5 Zehnpfennig, Barbara (Hrsg.), Alexander Hamilton; James Madison; John Jay: Die Federalist papers, Darmstadt 1993.
6 Wellenreuther, Hermann, Vom Niedergang und Aufstieg (= Finzsch, Norbert, Lehmkuhl, Ursula, Wellenreuther, Hermann (Hrsg.), Geschichte Nordamerikas in atlantischer Perspektive von den Anfängen bis zur Gegenwart. Eine Darstellung in sieben Bänden, Bd. 1), Münster 1999; Ders., Ausbildung und Neubildung. Geschichte Nordamerikas vom Ausgang des 17. Jahrhunderts bis zum Ausbruch der Amerikanischen Revolution 1755 (= Geschichte Nordamerikas, Bd. 2), Münster 2001; Ders., Von Chaos und Krieg zu Ordnung und Frieden. Der Amerikansichen Revolution erster Teil, 1775-1783, (= Geschichte Nordamerikas, Bd. 3), Münster 2006; Jürgen Heideking, Die Verfassung vor dem Richterstuhl. Vorgeschichte und Ratifizierung der amerikanischen Verfassung, 1787-1791, Berlin 1988.
7 Rossiter, Clinton (Hrsg.), The Federalist Papers, New York 1961.
8 Rossiter, Clinton (Hrsg.), The Federalist Papers. Originally by Alexander Hamilton, John Jay, and James Madison, with New Introduction and Notes by Charles R. Kesler, New York 1999.

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